Leben im Bus ist leben in der Natur, ist leben mit dem Klima. Mit der Hitze und mit den Erzählungen von Menschen, die vom Klima abhängig sind.
Wir sind vor nunmehr 3 Jahren und 3 Monaten in den Van gezogen um, unter anderem eine bessere Work-Life-Balance zu haben. Mehr Hängematte, weniger Büro, weisch wie?
Nun, gerade jetzt sieht die Realität ziemlich anders aus, als das Ideal. Abgesehen davon, dass wir tatsächlich immer noch keine Hängematte haben, sind wir die letzten Monate praktisch immer stationär und hinter unseren Laptops. Wir sind am Produzieren unseren ersten Dokumentarfilm und die Balance zwischen arbeiten und leben im klassischen Sinne, ist sehr unausgeglichen. Wir haben aber in den letzten Jahren über uns selbst gelernt, dass arbeiten für uns zu einem glücklichen Leben dazu gehört und so können wir diese Balance gar nie ausgleichen, weil für uns das Eine ohne das andere nicht geht. Weil wir beim Arbeiten mit vollem Herzen leben. Weil wir überzeugt sind von der Idee, dass wir alles was wir mit Liebe und Spass machen, gar nicht schlecht machen können. Dass sich Türen öffnen und sich die Dinge ergeben, wenn wir uns auf das fokussieren, was uns am Wichtigsten ist. Auch wenn wir gerade total auf den Felgen sind, so lieben wir es unsere Herzensprojekte vorwärts zu bringen, zu kreieren und wieder einmal etwas zum ersten Mal auszuprobieren. Nämlich einen Film zu machen. Und so kommen wir trotz Sommer und trotz Hitze gerade nur sehr selten raus in die Natur.
Apropos Hitze: Wir haben uns momentan ein Büro in unserem Buchlager eingerichtet, weil es sich in einem Keller befindet und es so angenehm kühl ist, dass wir unsere Winterklamotten, die ebenfalls da eingelagert sind, aus dem Schrank holen. Im Bus zu arbeiten war die letzten Tage definitiv keine Option. Noch um 23 Uhr nachts haben die Bettdecken immer noch so viel Wärme gespeichert, dass sie jedem Speicherofen locker Konkurrenz machen könnten. Was da hilft? Die Decken raus zu hängen und das Leintuch für 15 Minuten ins Gefrierfach des Kühlschrankes zu stecken. Super erfrischend. Und dann schläft es sich mit offenen Bus-Türen herrlich.
Sechs Monate Trockenheit
Derzeit sind Hitzewellen in der Schweiz noch relativ kurz und selten und das Warten auf den Regen ebenfalls. Zumindest wenn wir unser Wetter mit dem in der Mongolei vergleichen. Wir trafen vor einem Jahr einen alten 84-jährigen Nomaden der uns sagte, es hätte in diesem Jahr noch nie geregnet. Sechs Monate ohne Niederschlag. In einem Land im dem die Desertifikation jedes Jahr mehr zunimmt und 65% des Weidelandes übernutzt sind. Als wir bei der Nomadenfamilie eine Tasse Tee trinken, stürzt die ganze Familie vor den Fernseher, um die Wetterprognosen zu sehen. Die Enttäuschung in den Gesichtern liess uns verstehen: Es gibt immer noch keinen Regen. Dies war Mitte Juni.
Als wir damals weiterfuhren, zogen plötzlich doch Wolken auf und es tröpfelte hie und da vom Himmel. Dann gab es einen kurzen Hagelsturm und ein trockenes Gewitter, der grosse Regen ging in der Ferne über den Bergen nieder. Die Steppe blieb staubig und trocken. Noch nie hatten wir uns Regen so sehr herbeigewünscht.
Die Mongolen lebten schon immer mit extremen Wetterbedingungen, aber das Überleben für Tier und Mensch wird immer wie prekärer. Wir trafen entlang des Weges auf haufenweise eingetrocknete Tierkadaver und sahen zeitweise mehr tote als lebende Tiere.
Als wir die Mongolei einen Monat später verliessen, hörten wir, dass der Regen nun gekommen war. Allerdings hatte es so dermassen fest geregnete, dass viele der geschwächten Tiere in den Fluten ertranken.
Von Optionen und Privilegien
Wir hier in der Schweiz, wir haben Optionen. Zumindest noch. Wir können unseren Tieren immer genügend Wasser bereitstellen und Gärten und Felder bewässern. Wir haben den erfrischenden Bielersee, wir können Ventilatoren kaufen, Klimaanlagen einschalten, Glace essen oder im Keller arbeiten. Und wenn es noch heisser wird, so können wir in die Berge fahren, wo es kühler ist.
Neulich gönnten wir uns ein Wochenende ruhe auf dem Chasseral. Es war wunderbar den Tag mit der untergehenden Sonne zu beenden und morgens mit dem ersten Sonnenstrahlen aufzuwachen. Nebelschwaden stiegen von den Seen zu uns hoch und die Sonne stillte ihren Durst an ihnen, während sie die Gusti in ihrem Zauber einfing. Die Zehen in den Flipflops wurden eisig kalt und es fühlte sich, sass man in der Nebelwolke drin, für ein paar Minuten an wie Herbst. Aber dann zog es den Nebel weiter und uns auch: Wieder hinunter in den Sommer.
Wir sind uns sehr bewusst, dass wir hier in der Schweiz (und wir als modere Nomaden sehr wahrscheinlich noch einmal mehr) wettertechnisch noch in einer privilegierten Situation sind. Und wir lernen mit Begegnungen in anderen Klimazonen nicht zu vergessen, dass es anderswo Menschen und Tiere gibt, die keine Optionen haben, dem Klima und seinen harschen Bedingungen auszuweichen.