Seit wir in eine Van leben, werden sie immer wieder nach unseren Finanzen gefragt. Dies vor allem von Schweizerinnen und Schweizer, die doch sonst so gar nicht gern übers Geld
sprechen. Woran liegt das? Und ja, wie viel kostet das Leben so wirklich?
Der Regen tropft aufs Dach, der Kaffee dampft aus der Tasse vor mir. Draussen, in einem Wäldchen in der Nähe von Cham, verlieren die Bäume trist mehr und mehr ihrer Blätter, während der Tag langsam erwacht. Gerne würden wir es heute morgen den Zugvögeln gleichtun und mit unserem kleinen Haus in Richtung Süden rollen, dahin wo wir die Türen wieder offen lassen können, aber wir rollen vorerst noch ein wenig durch die Schweiz und realisieren wenige Stunden später: Die Türen können auch hier noch offengelassen werden. Jetzt, am Nachmittag, sitze ich nämlich tatsächlich in der offenen Bustüre, schaue gegen die Sonne und finde den gelb und orange leuchtenden Herbstwald unglaublich schön. Dabei sind wir immer noch in der Schweiz und gar nicht allzu weit von Cham weg. Wir sind in der Region Winterthur und geniessen die Ruhe der Natur, bevor wir heute Abend ein weiteres Mal vor fünfhundert Leuten stehen um aus unseren Erfahrungen als Nomaden zu erzählen.
Finanzen ohne Budget
Dabei haben wir gemerkt, dass uns zum Schluss immer wieder eine Frage gestellt wird: Wie finanziert man sich ein solches Leben und wie viel kostet es? Fragen, die wir einfach beantworten können und doch auch nicht so einfach. Nicht, weil wir wie die typischen Schweizer nicht übers Geld reden wollen, sondern weil wir beide keine Menschen sind die Budgets machen oder je daran denken unsere monatlichen Ausgaben aufzuschreiben. Wir führen selbstverständlich Buchhaltung für unsere Firma, aber was unser privates Leben im Bus uns jeden Monat kostet? Keine Ahnung. Und auch wenn wir eine Zahl nennen könnten, würde diese für jemand anderes nicht stimmen. Weil wir alle, egal ob im Bus oder in einem Haus, andere Ausgaben haben. Genauso individuell wie das ganz „normale“ Leben in einer Wohnung, genauso individuell ist das Leben als Nomaden. Und weil es bei uns zudem noch davon abhängt, in welchem Land wir sind, wie viele Kilometer wir fahren und ob wir oft auswärts essen oder die ganze Zeit selbst kochen, ob Foxy, der Bus, gerade ein Problem macht und ob Dylan als ehemaliger Automechaniker das Problem selbst beheben kann oder nicht. Fixkosten für Steuern, AHV, Pensionskasse, Krankenkasse sowie Versicherung sind ebenfalls für jeden Menschen so anders, dass wir auch da keine Angaben machen können, die allgemeingültig sind und irgendjemandem etwas bringen.
18'000 Franken pro Jahr gespart
Was unser Konto und auch der Kopf aber definitiv spürt, ist, dass wir nicht wie zuvor jeden Monat 1’500 Franken für die Wohnungsmiete bezahlen müssen und wir ausser für Lebensmittel und Arbeitswerkzeug fast kein Geld mehr ausgeben. Minimalismus hat uns gelernt nur noch zu besitzen was wir tatsächlich benötigen und alles andere loszulassen, ohne etwas zu vermissen. Und wir haben als freischaffende Autoren, Vortragsreferenten und Filmemacher eben auch ein ganz grosses Stück finanziellen Druck weniger, weil wir pro Jahr 18'000 Franken weniger ausgeben müssen und es uns somit auch leisten können ein paar Monate hinter dem neuen Buch oder dem neuen Film zu sitzen ohne viel zu verdienen. Da wir unsere Leidenschaft fürs Reisen, für das Erzählen von Geschichten bereits vor dem Wechsel in den Bus zu unserer Arbeit gemacht haben, ist das mobile Leben für uns ideal. Somit können wir aber leider auch niemandem einen Rat geben, was sie oder er arbeiten sollen, um als Nomaden unterwegs sein zu können. Das einzige was wir raten können ist: Finde selbst heraus wo deine Leidenschaft liegt und tue unbedingt etwas, dass dir Spass macht. Egal ob mit oder ohne Van. Das Leben ist zu wertvoll, um Zeit mit Arbeit zu verbringen, die einem nicht erfüllt.
Leidenschaft anstatt Geld
Wir sind beide Menschen, die mehr mit dem Herz als mit dem Verstand funktionieren. Wir haben uns daher für Jobs entschieden, die wir lieben und auch für eine Wohnform, die für uns seit mehr als dreieinhalb Jahren das Ideal ist. Wir haben uns nie gesagt wir brauchen jeden Monat so und so viel Geld und können dementsprechend nur Jobs machen, die uns so viel Geld einbringen. Dies weil wir stark daran glauben, dass wenn wir einen glücklichen Alltag leben, wir viel weniger materielle Dinge benötigen, als wenn wir einen langweiligen Job machen und unser Glück dann vielleicht viel eher im Konsum suchen und ergo noch mehr Geld ausgeben.
Spannend ist aber dennoch die Erkenntnis, dass sobald ein unkonventioneller Lebensweg eingeschlagen wird, der offensichtlich weniger kostet als das Leben zuvor, das Finanzielle plötzlich so sehr
im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Und vielleicht könnten wir die Fragen nach dem Geld doch ganz einfach beantworten: Wenn Du bereit bist für deine Leidenschaft alles auf eine Karte zu setzen,
dann schaffst auch Du es. Weil dann nämlich plötzlich nicht mehr die Zahl, die Ende Monat auf dem Konto steht zählt, sondern wie zufrieden man die dreissig Tage dazwischen verbracht
hat.