Kurz bevor in der Schweiz so ziemlich alles geschlossen wurde, sass ich noch mit drei Freundinnen in einer Pizzeria und wir machten Witze darüber, wie einfach zu Hause bleiben mit dem Van sein würde „Ihr seid ja immer zuhause. Also könnt ihr auch überall hin.“ Da fand ich die Idee auch noch ganz witzig und dachte: Ja dann reisen wir halt dann quer durch die Schweiz. Und dann wenige Tage später hiess es tatsächlich überall: „Bleiben sie wenn möglich zu Hause.“
Wir waren zum Glück in der Schweiz, weil wir hier noch ein paar Vorträge hätten halten sollen und hätten erst danach, also jetzt, ein wenig weiter Weg fahren wollen. Nach Marokko vielleicht oder in Richtung Balkan. Und dann kam auch für uns alles anders. Die Vorträge wurden allesamt abgesagt und die Grenzen geschlossen. In dem Moment blieb dann auch uns nichts mehr anderes übrig, als irgendwo zu bleiben und abzuwarten.
Nomaden sein, in Zeiten wie diesen
Nach Herumreisen in der Schweiz war uns zu dem Zeitpunkt nicht mehr. Da wir nicht unendlich viel Lebensmittel und Wasser (geschweige denn Toilettenpapier) bunkern können, wollten wir nicht herumfahre und immer wieder in neuen Orten einkaufen oder Wasser auffüllen. Also blieben wir die letzten Wochen stationär vor dem Haus meiner Eltern. Und Foxy der Bus wurde vom Reisemobil zum Einkaufsmobil, da wir für meine Eltern und Freude von ihnen fortan den Einkauf erledigten und es bis heute immer noch tun.
Andere Nomaden, mit denen wir hie und da über Social Media in Kontakt sind, halten die Situation in Argentinien aus, wo sie in der Natur draussen stehen und einmal die Woche im nahen Dorf einkaufen gehen. Ein anders Paar steht in Portugal auf dem Gelände eines Bauers und wird dort solange geduldet, bis sich die Situation wieder beruhigt. Andere haben sich in Griechenland eine Wohnung mit Garten gemietet und warten so das Ende des Sturmes ab. Die meisten anderen kamen irgendwie in ihre Heimat zurück, mussten sich Wohnungen oder Plätze suchen um stehen zu bleiben und auszuharren. Warten, Teetrinken und Arbeiten in unserem Homeoffice, ist dass was auch wir derzeit tun. Viel anderes bleibt ja uns allen nicht übrig.
Mental gut vorbereitet
Wir hatten aber in so einigen Momenten das Gefühl, dass uns unser Nomadenleben optimal auf diese für alle neue Situation vorbereitet hat. Wir sind es uns gewohnt mit einem gewissen Grad an Unsicherheit zu leben. Uns bringen Planänderungen nach vier Jahren Nomadenleben nicht mehr aus dem Konzept. Wir gehen daher gelassen mit der Situation um, dass wir alle nicht so genau wissen, was morgen wieder für Regeln rauskommen und welche Neuigkeiten es zum Virus gibt. Dass wir unsere Freunde länger nicht sehen und nur via Videotelefon oder Chat in Kontakt sind, dass kennen wir auch. Homeoffice machen wir sowieso und für uns ist auch die Situation nicht neu plötzlich 24/7 aufeinander zu hocken. Das tun wir auch sonst.
Nachdem einige von Euch nun erlebt haben, was es bedeutet, seinen Partner/ seine Partnerin dauernd zu sehen und sich in der Wohnung nicht wirklich ausweichen zu können, denkt ihr jetzt vielleicht: „Die sind verrückt zu zweit in einem Van zu leben!“ Für uns ist und war es schon immer das Gegenteil: „Ist doch schön, so viel Zeit mit meinem Partner verbringen zu können.“ Ohne Kinder ist das Ganze sicherlich noch einmal ein Level einfacher und wir hoffen, dass viele die gemeinsame Zeit als genauso positiv erlebten. Und doch kamen wohl einige (auch ohne Kinder) in den letzten Wochen in ihren Partnerschaften an ihre Grenzen. Wer optimistisch ist kann auch hier das Gute heraussehen: Immerhin war der Leidensdruck so hoch, dass man sich jetzt im klaren ist, dass die Person nicht der Lebenspartner ist, für den man ihn/sie gehalten halt. Das hätte man ohne gemeinsame Quarantäne vielleicht erst in ein paar Jahren herausgefunden.
Liebe in der Quarantäne
Oder aber man hat sich viel besser kennen und vielleicht auch besser lieben gelernt. So ist für uns die Erfahrung, die wir mit Vanlife, und somit mit dem „Nahe-aufeinander-leben“, gemacht haben. Wir haben in den letzten vier Jahren viel im Umgang mit dem anderen gelernt. Wir sind gelassener und streiten uns erstaunlicherweise deutlich weniger als damals, als wir noch eine Wohnung hatten. Wir lassen Unstimmigkeiten schneller wieder los und akzeptieren eine Entschuldigung des anderen viel einfacher. Wir nehmen uns selbst bei kleinen Alltagszusammenstössen nicht mehr so ernst wie zuvor. Soll ich mich jetzt wirklich darüber ärgern, dass der andere seine Stinksocken herum liegen lässt, oder kann ich diese einfach ignorieren? In Momenten, wo ich mich Dylan dann doch hässig macht, versuche ich einen Schritt zurück zu machen (im Kopf - im Bus ist es ja etwas schwierig) und den Menschen zu sehen, mit dem ich so viel Gutes und Lustiges erlebe. Den Menschen zu sehen, mit dem dieser Normaden-Alltag möglich ist und der bei einer Panne morgens ums zwei Uhr, wenn wir um vier Uhr die Fähre von Dover (GB) nach Calais (F) erreichen sollten ohne zu Fluchen den Bus repariert und wir es doch noch schaffen. Der das verlassene Dorf, welches wir per Zufall sahen, spannender findet als das Touristen-Highlight, welches in jedem Reiseführer steht. Der es heimelig findet, wenn am Abend die Regentropfen aus Dach fallen und der am nächsten Morgen freundlich mit den Vögeln spricht, in deren Quartier wir die Nacht verbringen. Ich sehe den Mann, der ohne dass wir uns absprechen müssen, die Drohne in Bus versteckt, während ich den Zöllner mit irgendwelchem Smalltalk ablenke. Der, mit dem ich oben auf einem Berg stehen kann und dem genauso wie mir, die Tränen über die Wangen kullern, einfach weil unsere Welt so wunderschön ist. Der, der alles isst, was ich koche, sei es noch so experimentell und trotzdem sagt: „Ja, ist nicht schlecht.“ Nur um ein paar Augenblicke später einen blöden Spruch hinterher zu schieben, der uns beide zum Lachen bringt. Und der, der jeden Abend mit mir im Bett liegt und wie jeden Abend zu mir sagt: „Gell unser kleines Haus, es ist einfach schön.“ Und ich bloss mit einem grossen Lächeln im Gesicht darauf antworten muss.
Corona für Veränderung nutzen
Die Corona-Zeiten sind alles anderes als optimal, für viele Menschen haben sie tragische gesundheitliche oder finanzielle Konsequenzen und doch hoffen wir, dass es einem Grossteil gelang (oder gelingt, wir wissen ja nicht wann der Spuk vorbei ist) aus der Situation das Beste zu machen und beim Gedanken an unsere eigene Verletzlichkeit und schlussendlich Sterblichkeit, sich bewusst zu werden, was ihnen im Leben tatsächlich wichtig ist und sie sich entscheiden fortan das Leben so zu leben, wie sie wollen. Unser Entscheid in einem Bus zu leben, haben vor vier Jahren sicherlich nicht alle in unserem Umfeld als super Idee empfunden und es war definitiv ein Entscheid gegen die gesellschaftliche Norm. Aber, was viel wichtiger ist: Es war ein Entscheid für unser Herz. Und so hoffen wir, dass es in diesen komischen Zeiten vielen da draussen gelingt sich für ihr Herz zu entscheiden.